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Ist KIP wirksam? Wenn ja – wodurch wirkt sie?

Bild auswählenAusgangspunkt der Forschung: ein Konzept zur Wirkung von KIP

von Michael Stigler (Stand Februar 2006)
Katathym imaginative Psychotherapie verwendet Imagination als Teil eines integrativen, psychodynamisch orientierten Therapie-verfahrens mit den Charakteristika eines emotional intensiven Einlassens auf das spontan sich entwickelnde, mobile und aktionsbetonte imaginäre Szenario eines dabei trotz Relaxation voll erhalten bleibenden dialogischen Austauschprozesses mit dem Therapeuten, und der sich daraus ergebenden einzigartigen Möglichkeit des Therapeuten, direkt und unmittelbar auf der Ebene des prozeduralen, impliziten Wissens dasselbe nicht nur zu erfassen, sondern auch therapeutisch zu beeinflussen.

Aus der psychodynamischen Orientierung des Verfahrens ergeben sich auch die Grundlinien seiner Theorie. Konkret: diese auch als Tagtraum-Therapie bezeichnete Methode lehnt sich an Freuds inzwischen hundertjährige Theorie des Nachttraums an, zumal die imaginativen Szenarien durchgehend frappierende strukturelle und funktionelle Analogien zum Nachttraum aufweisen.

Als dessen "Werkmeister" hat Freud die Mechanismen der Traumarbeit konzipiert, die nach dem Schema der Verschiebung funktionieren, einem Organisationsmuster des Primärprozesses: ein zuvor unannehmbarer Konflikt wird nunmehr dadurch in Symbolgestalt annehmbar, dass zwar dasselbe Beziehungsschema und dieselbe Affektkategorie verschoben werden, das neue Objekt dieser Beziehung aber in Form beispielsweise eines Tieres oder einer aus verschiedenen Personen verdichteten Bezugsperson auf das Subjekt weniger bedrohlich, also positiver und damit zugänglicher wird. Konflikte können daher eher zugelassen und angegangen werden, Interaktionen mit Tagtraumraumobjekten gehen positiver aus als solche mit den ursprünglichen, noch unverschobenen Objekten. Da Verdichtung und Symbolisierung ebenfalls  funktionell auf dem Prinzip der Verschiebung basieren, wird im weiteren ausschliesslich die letztere berücksichtigt.

Ist KIP eine effiziente Psychotherapiemethode?

Eine vom Design her anspruchsvolle Studie wurde unter der Leitung von Wilke durchgeführt  (v. Wietersheim et al., 2003). Es seien hier zusammenfassend einige der wichtigsten Resultate  angeführt. Von insgesamt 67 Patienten, mehrheitlich Frauen, mit mehrheitlich depressiver Symptomatik, beendete ein Drittel die Therapie bis zur 50. Stunde, bei den übrigen dauerte diese zum Teil wesentlich länger. Imaginiert wurde im Schnitt jede dritte bis vierte Stunde.

In allen verwendeten Fragebögen (Beschwerdeliste, Befindlichkeitsskala, Depressions- und Angst-Fragebogen, Freiburger Persönlichkeitsinventar) ergaben sich deutliche Effekte vom pathologischen in den Normbereich, die zwischen Therapieende und Katamnese (nach 18 Monaten) noch zunahmen. Diese z.T. sehr markanten positiven Veränderungen leiden allerdings in ihrer wissenschaftlichen Aussagekraft unter Problemen bei der Realisierung des randomisierten Wartegruppen-Designs, die sich aus dem Ausscheren eines so hohen Anteils unzufriedener Wartender ergaben, dass schliesslich auf eine statistische Auswertung des Vergleichs mit der auf fast die Hälfte geschrumpften Rest-Wartegruppe verzichtet werden musste.
Trotz dieser methodischen Einschränkung muss die deutliche Verbesserung bei den untersuchten Patienten, vor allem in den Bereichen körperliche Beschwerden, Befindlichkeit, Depressivität, Lebenszufriedenheit, emotionale Labilität festgehalten werden.

Fazit: KIP ist wirksam; die für KIP gefundenen Effektstärken entsprechen denen anderer für wirksam befundenen Psychotherapiemethoden (vgl. Effektstärken in Grawe et al., 1994).

Werden während der Imagination Blutdruck, Herzfrequenz und EEG verändert?
Zwei voneinander unabhängige explorative Studien an 8 bzw. 10 gesunden Probanden (Stigler 1993, 1994) führten zu folgenden Ergebnissen:

a) Phase der Entspannung: während die Pulsfrequenz erwartungsgemäss absank, erhöhten sich überraschenderweise gleichzeitig sowohl der systolische und (in geringerem Ausmasse) der diastolische Blutdruck.

b) Übergangsphase: Motivvorgabe und Sprechbeginn waren jeweils mit einer Erhöhung von Blutdruck und Pulsfrequenz verbunden.

c) Phase der Imagination: höherer Blutdruck, höhere Pulsfrequenz und stärkere Aktivierung im EEG als im Baseline-Ruhezustand und während der Entspannung. Die stärkste EEG-Aktivierung fand sich im linken Okzipitalbereich.

d) Imagination einer körperlichen Anstrengung: systolischer und diastolischer Blutdruck (aber kaum die Pulsfrequenz) werden beim imaginierten Radfahren auf einen Hügel stärker erhöht als beim imaginierten Radfahren im Flachen.

Fazit:

  1. Imaginieren ist also kein passiv-regressiver Vorgang, sondern geht mit einer Aktivierung von Hirnprozessen und kardio-vaskulären Parametern einher.
  2. Imaginierte körperliche Anstrengung hat eine reelle Erhöhung des Blutdrucks zur Folge.


Wodurch wirkt KIP?
Aus den zu Beginn genannten theoretischen Postulaten lassen sich konkrete Hypothesen für die Erforschung spezifischer Wirkfaktoren von KIP ableiten:

  1. erstens müsste nachgewiesen werden, dass während der Imagination überhaupt mehr Primärprozess stattfindet;
  2. zweitens, dass mehr Verschiebung stattfindet, wofür als Resultat von Verschiebung weniger negative und mehr positive Emotionen nachgewiesen werden müssten; 
  3. drittens, dass die Interaktionen mit den symbolischen Objekten der Verschiebung, also die Interaktionen in der Imagination, positiver ausgehen als die Interaktionen im Alltag, wie sie in den rein verbalen Sitzungen zum Ausdruck gelangen.

Lesen Sie hier den kompletten Forschungstext von Michael Stigler als PDF-Dokument.


Literatur

Sell, Ch., Möller H., Taubner S.,: Kathathym Imaginative Psychotherapie und Hypnosetherapie - Symptomreduktion und Prädiktorendes Behandlungserfolg

Frick E., Stigler M., Georg, H., Bumeder, I.,  Pokorny D.  Tumour patients in psychodynamic psychotherapy: Can imagery enhance emotional information processing? (paper in review)

Grawe K. (1998). Psychologische Therapie. Göttingen: Hogrefe.

Grawe K., Donati, R., Bernauer, F. (1994). Psychotherapie im Wandel. Von der Konfession zur Profession. Göttingen: Hogrefe.

Ihme D., Salzer N. Ergebnisse einer Katathym Imaginativen Psychotherapie bei Prüfungsangst: Ressourcen und Bewältigung, Problemaktualisierung und Klärung. Diplomarbeit an der Ruhr Universität Bochum, Dezember 2005.

Meier I., Pokorny D, & Stigler, M. (2004). Zentrale Beziehungskonflikt-Themen bei Schweizer Psychotherapeuten in KiP-Ausbildung. Vortrag am Int. KIP-Kongress Göttingen, Juni 2004.

Meier, I. (2005). Emotionen und Beziehungsmuster in Tagträumen. Bern  Berlin  Bruxelles  Frankfurt a.M.  New York  Oxford  Wien: Peter Lang.

Stigler M. (1993) Blutdruck, Herzfrequenz und EEG im Verlauf des Katathymen Bilderlebens. In: Baumann P. (Hg), 738-741: Biologische Psychiatrie der Gegenwart. Springer-Verlag Wien-New York, pp 738-741.

Stigler M. (1994) Der hypnoide Zustand des Katathymen Bilderlebens in seinen Auswirkungen auf Blutdruck, Herzfrequenz und EEG. In: Dittrich A., Hofmann A., Leuner H. (Hg) Welten des Bewusstseins, Bd. 3. VWB - Verlag für Wissenschaft und Bildung, Berlin, pp 205-216.

Stigler, M., & Pokorny, D. (1995). CCRT in Daydream Psychotherapy. Paper presented at the SPR Conference Vancouver, June 1995.

Stigler, M., & Pokorny, D. (2000). Vom inneren Erleben über das Bild zum Wort. KiP-Texte im Lichte computergestützter Inhaltsanalyse. In H. Salvisberg, M. Stigler, & V. Maxeiner (Hrsg.), Erfahrung träumend zur Sprache bringen. Bern - Göttingen -...: Verlag Hans Huber.

Stigler M., Pokorny D. (2001). Emotions and primary process in Guided Imagery Psychotherapy : Computerized text-analytic measures. Psychotherapy Research 11(4):415-431.

Stigler, M., & Pokorny, D. (2003). « Night dreams are the royal road to the unconscious » - but what about therapeutic daydreams? Paper presented at the SPR Conference Weimar, June 2003.

v. Wietersheim, J., Wilke, E., Röser, M., Meder, G. (2003). Ergebnisse der katathym-imaginativen. Die Effektivität der Katathym-imaginativen Psychotherapie in einer ambulanten Längsschnittstudie. Psychotherapeut 48:173-178.